
Am 20. Januar 2025 nimmt die Erinnerungskultur in Deutschland eine zentrale Rolle ein. Anlässlich des 80. Jahrestags der Befreiung von Auschwitz-Birkenau, der am 27. Januar begangen wird, finden verschiedene Veranstaltungen statt, die sich mit der Geschichte und der Erinnerung an den Holocaust auseinandersetzen. Eine herausragende Veranstaltung ist die öffentliche Podiumsdiskussion an der Universität Jena am 29. Januar 2025, die unter dem Titel „Geschichte in der Erinnerung – welche Vergangenheit lassen wir zu?“ steht. Diese erste „Jena Lecture in Contemporary History“ wird von einem hochkarätigen Panel internationaler Experten geprägt.
Die Diskussionsrunde umfasst renommierte Wissenschaftler wie Prof. Dr. Omri Boehm aus New York, Prof. Dr. Natan Sznaider aus Tel Aviv, sowie die Gastgeber Prof. Dr. Stefanie Middendorf und Prof. Dr. Joachim von Puttkamer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Es werden drängende Fragen behandelt: Ist die Gesellschaft geschichtsvergessen oder geschichtsversessen? Und welche universellen Lehren können aus der Vergangenheit für die Gegenwart abgeleitet werden? Die Diskussion wird sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache geführt und ist kostenfrei, jedoch ist eine Anmeldung erforderlich. Diese akademische Veranstaltung wird umso wichtiger, da sie die Kontroversen über Erinnerungen an den Holocaust und den Kolonialismus aufgreift.
Eingehende Analysen zum Erinnern
Die Teilnehmenden bringen jeweils spezifische Perspektiven ein. Prof. Dr. Omri Boehm, der 2024 mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung ausgezeichnet wurde, verweist in seinen Arbeiten auf die Notwendigkeit des radikalen Universalismus. Prof. Dr. Natan Sznaider behandelt in seinen Veröffentlichungen die Gegenwart von Holocaust und Kolonialismus kritisch und fördert den Dialog über die notwenigen Reflexionen dieser Themen.
Ein Fokus liegt auch auf der Rolle der Gedenkstätten, welche sich seit den 1960er Jahren von ruhigen Friedhöfen zu lebhaften musealen und denkmalhaften Flagship-Projekten entwickelt haben. Ihre Errichtung war häufig eine Reaktion auf die Ängste der nachfolgenden Generationen hinsichtlich des Geschichtsverständnisses. Erinnerung ist ein lebendiges, dynamisches Phänomen, das weit über das Bildungssystem hinausreicht und in sozialem Austausch und Diskurs verankert ist. Es besteht die Sorge, dass die Shoah und die damit verbundene Entmenschlichung der Opfer oft stark verkürzt und nur im Geschichtsunterricht thematisiert werden.
Die Herausforderungen der Erinnerungskultur
Die deutsche Erinnerungskultur zielt auf eine historisch-moralische Bildung ab. Sie schult Demokratiefähigkeit und Zivilcourage, um die Lehren aus dem Nationalsozialismus und dem Holocaust zu verdeutlichen. Gleichzeitig wird die Frage nach einem kollektiven „europäischen Gedächtnis“ immer relevanter. Historische Narrative müssen sich den gegenwärtigen Herausforderungen stellen, und es gibt Bestrebungen, Erinnerungspolitik von politischen Agenden zu entpolitisieren.
Der Einfluss der neuen Generationen auf die Erinnerungskultur ist unbestreitbar. Die Dezentralisierung des Diskurses durch soziale Medien ermöglicht eine breitere Partizipation, während gleichzeitig die Gefahr besteht, dass die Komplexität historischer Ereignisse vereinfacht wird. Initiativen von Überlebenden und lokalen Gruppen haben entscheidend dazu beigetragen, Gedenkstätten und deren Inhalte zu gestalten. Dabei ist die Reflexion über moralische Fragestellungen von fundamentaler Bedeutung für die zukünftige Ausrichtung der Erinnerungskultur.
Für eine erfolgreiche und zukunftsorientierte Erinnerungspraxis ist es wesentlich, dass sie mit den Lebenswelten der jüngeren Bevölkerung verbunden wird. Der Austausch zwischen Wissenschaft und politischer Bildung, sowie die Schaffung integrativer Geschichtsnarrative sind zentrale Anliegen, die die zukünftige Entwicklung der Erinnerungskultur maßgeblich beeinflussen werden. Hierbei können neue Konzepte und Ansätze geboten werden, die helfen, relevante Verbindungen zu aktuellen sozialen Fragen herzustellen.
Die Veranstaltung an der Universität Jena, unterstützt durch die gemeinnützige Initiative, thematisiert all diese Fragen und ist ein Schritt zur vertieften Auseinandersetzung mit der Erinnerungskultur in Deutschland. Um an der Podiumsdiskussion teilzunehmen, können Interessierte weitere Informationen und Anmeldemöglichkeiten über die Universitäts-Links einsehen.
idw-online.de berichtet über die bevorstehende Diskussion, während in der bpb.de die tiefere Analyse zur Erinnerung und Identität nachzulesen ist. Auch bpb.de thematisiert die Entwicklungen innerhalb der deutschen Erinnerungskultur und deren weitreichende Implikationen.