
Knapp 100 Beschäftigte des Sophien- und Hufeland-Klinikums in Weimar sowie weiterer kirchlicher Einrichtungen haben am Freitag vor dem Landeskirchenamt in Erfurt demonstriert. Diese Protestkundgebung wurde durch die Gewerkschaft ver.di organisiert und forderte sowohl Tarifverträge als auch das Grundrecht auf Streik. Bernd Becker von ver.di betonte, dass die Beschäftigten mehr Mitbestimmung bezüglich ihrer Arbeitsbedingungen haben möchten und klare Tarifverhandlungen einforderten.
Die Kirche, Diakonie und die Klinikleitung standen in der Kritik. Man warf ihnen vor, legitime Anliegen der Beschäftigten zu blockieren und grundlegende Rechte vorzuenthalten. Trotz mehrfacher Versuche der Beschäftigten, Arbeitsniederlegungen durchzuführen, wurden diese durch einstweilige Verfügungen verhindert. Becker wies darauf hin, dass die Koalitionsfreiheit ein Grundrecht ist, das nicht nur für Arbeitnehmer in der Industrie, sondern auch für die Beschäftigten kirchlicher Einrichtungen gelten sollte.
Rechtliche Auseinandersetzungen
Die aktuelle Auseinandersetzung um die Streikrechte der kirchlichen Angestellten hat eine lange rechtliche Vorgeschichte. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen wurde 1919 mit der Weimarer Reichsverfassung eingeführt, mit dem Ziel, eine Unabhängigkeit vom Staat zu erreichen. Dieses Recht wurde im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Artikel 140 festgeschrieben. Allerdings gab es in der Geschichte auch Phasen, in denen das Streikrecht für kirchlich Beschäftigte unklar war.
Ein Hauptsacheverfahren soll am 19. Februar vor dem Erfurter Arbeitsgericht stattfinden. Becker und seine Mitstreiter hoffen, dass dieser Prozess dazu beiträgt, die Rechte der Beschäftigten in kirchlichen Einrichtungen zu stärken. In den letzten Jahren rief ver.di in diakonischen Einrichtungen immer wieder zu (Warn-)Streiks auf, was zuvor ein Novum war.
Das kirchliche Sonderrecht in der Kritik
Sylvia Bühler, Mitglied des ver.di-Bundesvorstands, sprach ebenfalls bei der Kundgebung. Sie hob die Wichtigkeit der Auseinandersetzung hervor und kritisierte das kirchliche Sonderrecht. Bühler forderte gleiche Rechte für die 1,8 Millionen Beschäftigten von Kirchen, Diakonie und Caritas und machte deutlich, dass die Arbeit in kirchlichen Einrichtungen sich nicht von der in anderen sozialen Einrichtungen unterscheidet.
Eine Pflegekraft aus dem Klinikum Weimar, Christiane Rosa, äußerte, dass sie und ihre Kolleg*innen sich nicht durch juristische Winkelzüge von ihren Forderungen abbringen lassen wollen. Rosa erklärte, dass zwar die Arbeit im kirchlichen Krankenhaus mit der im öffentlichen Dienst vergleichbar sei, die Bezahlung jedoch unfairerweise schlechter ausfalle.
Die rechtliche Betrachtung des kirchlichen Charakters von Einrichtungen zeigt, dass dieser nicht automatisch gegeben ist. Das Bundesarbeitsgericht hat beispielsweise einer Gesellschaft, die diakonische Einrichtungen unterstützte, den kirchlichen Charakter abgesprochen, weil ihre Tätigkeiten nicht vom kirchlichen Auftrag geprägt waren. Ein kirchlicher Charakter erfordert daher die Umsetzung kirchlicher Grundsätze im Alltag. Der aktuelle Konflikt um die Tarifverträge und Arbeitsbedingungen könnte diese tief verwurzelten Fragen erneut aufwerfen und somit den schmalen Grat zwischen kirchlicher Identität und Arbeitnehmerrechten beleuchten.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist es durchweg wichtig, dass alle Beteiligten übereinstimmend an einer Lösung arbeiten, die sowohl die Bedürfnisse der Beschäftigten als auch die kirchlichen Prinzipien respektiert. Das Streikrecht wird zunehmend als unverzichtbares Mittel zur Wahrung der Arbeitsrechte und der Mitbestimmung von Arbeitnehmern anerkannt.